Mit diesem Konzert stellte sich Walter Born in der "Alten Kirche" der anspruchsvollen Aufgabe, alte Werke - egal ob barock, klassisch oder romantisch - in einer improvisierten Neuauflage erklingen zu lassen. Nicht genug damit, dass Born sich selbst herausforderte, auch das Publikum war ein Stück weit gefordert - und zwar insoweit, als das Programm keinerlei Hinweise auf die "Ursprungs"-Komponisten enthielt. Aber zum Glück gab es da ja noch Helmut Honermann, der als Moderator fungierte und weiterhalf, wenn Originaltitel oder Komponist partout nicht einfallen wollten. Manche Stücke konnte man schon - oder besser noch - zu Beginn erkennen. Wie zum Beispiel Haydns "Kaiserquintett", bestens bekannt als unsere Nationalhymne. Dann ein paar rhythmische Verschiebungen hier, ein paar zusätzliche quirlige Läufe, rasanter Tempowechsel - und zu hören ist eine temperamentvolle Salsa, im Programm als "Anthem" angekündigt. Beethovens "Für Elise" erkennt man in der "Born’schen" Fassung auch von Anfang an - selbst wenn im Programm nur "4Lissy" steht. Die schöne - aber leider schon etwas zu oft gehörte Melodie - wurde von Born tüchtig "entstaubt" und als Samba mit "funky Zwischenteil" neu interpretiert. Ob Beethoven damit zufrieden gewesen wäre, wird sich nicht mehr herausfinden lassen. Das Publikum war es auf jeden Fall, und der Künstler selbst hatte auch seinen Spaß daran.
Erkennt man die Stücke?
Allerdings: "Bei manchen Stücken wusste ich am Anfang überhaupt nicht, wo man ist", so Honermann. Zum Beispiel bei dem Stück "Sonate facile I". Born beginnt mit einem fetzigen Uptime Swing, der die Füße zum Wippen bringt. Plötzlich tauchen da kleine Läufe und Sequenzen auf, die irgendwie vertraut klingen, sich nach und nach verdichten und dann plötzlich zu Mozarts Klaviersonate Nr. 16, C-Dur, KV 545 werden. Diese Erkenntnis inspirierte Honermann zu einem kleinen Quiz: "Wer nach dem Stück sagen kann, wie das Original heißt und wer es komponiert hat, bekommt eine Walter-Born-CD als Preis", lautete die Aufforderung als "MamboZart" auf dem Programm stand. Walter Born legte los, zu Gehör kam eine Salsa die nach und nach zur Sinfonie wurde. "Mozarts Sinfonie Nr. 40" war dann auch die schnelle Antwort aus dem Publikum, und die CD wechselte ihren Besitzer.
Wobei Alte und Neue Musik zeitlich gar nicht mal so weit auseinander liegen müssen. Gerade mal 15 Jahre, nachdem Tschaikowsky sein "Lied ohne Worte" komponiert hatte, begann Scott Joplin in den USA damit, den "Ragtime" zu etablieren. Und mit dem Stück "Chant sans parole", gespielt als Ragtime, brachte Born dann die beiden einfach zusammen.
Geniale Interpretationen
Borns geniale Neuinterpretationen machten auch vor Schumann, Chopin und erst recht vor Bach nicht Halt. "Zumal gerade Bach auch viel improvisiert hat und so eine ganz eigene Musik mit viel Lebendigkeit und Frische hervorgebracht hat", erläutert Honermann. Neben mitreißenden Salsa, Samba oder Ragtime-Rhythmen brachte Born auch ruhige, entspannende Jazzballaden zu Gehör. Was ihm dabei immer gelang, waren wirklich verblüffende Übergänge zu Alt nach Neu und umgekehrt: manchmal überraschend, manchmal nahtlos - aber immer mit viel Witz, großartiger Virtuosität und absolut unterhaltsam. Das Publikum genoss dieses Konzert und sparte nicht mit begeistertem Applaus.