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Musikalisches Betthupferl

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Historische Aufführungspraxis sei eine Sache nur für Liebhaber, hört man oft, aber das scheint nicht der Fall zu sein, denn das erste Nachtkonzert der Saison war der Alten Musik gewidmet, wurde auf historischen Instrumenten gespielt und war dennoch gut besucht. Die Nachtkonzerte sind ein Angebot der evangelischen Kirche, und sie beginnen stets um 21 Uhr.

Um diese Zeit erklang zum diesjährigen Auftakt der kleinen Reihe ein Konzert der "Neuen Compagney" mit dem Titel "Ballo del Gran Duca", der viel höfische Tanzmusik erwarten ließ. Es gab aber noch einen Untertitel: Die Schätze höfischer Pracht von Mantua bis Wolfenbüttel.

Auf der Luftlinie von Mantua nach Wolfenbüttel liegt die kleine nassauische Residenzstadt Usingen, in deren Schloss einst sicher auch glanzvolle Bälle gefeiert wurden, aber einen Giovanni Battista Buonamente, einen Johann Rosenmüller oder überhaupt einen fürstlich alimentierten Komponisten kann der Usinger Hof nicht vorweisen.

Die Laurentiuskirche war aber zumindest Hofkirche, und so konnte man sich mit Hilfe der Alten Musik gleichwohl in die barocke Welt zurückversetzen. Wer Fantasie hatte, konnte sich dazu den Fürsten und seine Familie oben in einer Loge auf der Empore vorstellen. So ähnlich muss die Musik damals in seinen Ohren geklungen haben.

Zu hören war ein Virginal als kleinere Ausgabe eines Cembalos, eine Barockposaune, zwei Barockgeigen sowie eine Viola da Gamba. Und los ging es mit dem titelgebenden Stück "Ballo del Gran Duca" von Giovanni Battista Buonamente, der in Diensten der Fürstenfamilie Gonzaga in Mantua stand.

Gewöhnungsbedürftig waren die obertonlastigen Klänge vor allem des Virginals, aber auch der Streichinstrumente. Die Gambe wiederum mit ihren sieben Saiten trat nicht immer als dunkles Klanginstrument neben den Violinen hervor, stattdessen wirkte die Posaune oft als wohltuender Gegenpol schriller Saitenklänge.

Schleppend und schreitend, das ist ein Merkmal barocker Stücke, die aus den Tänzen entwickelt und zu höfischen Festen gespielt wurden. In diesem Sinne war die Rosenmüller-Sonate Nr. 2 sehr schön wiedergegeben. Dasselbe galt für die Chaconne, die ebenfalls aus dem Tanz entstanden ist. Wie man sich allerdings auf die Ciaccona, wie die musikalische Version von Tarquino Merula und Bernardo Storace heißt, zu Hofe bewegt haben könnte, überstieg doch etwas die Fantasie des Zuhörers.

Das Zuhören war jedoch bei den meist für zwei Solostimmen und einen Dialog zweier Violinen ausgelegten Stücken interessant und entspannend zugleich. Und: Die überschaubaren Strukturen und moderaten Tempi passen sicher zum Spaziergang über barocke Gartenterrassen.

In jedem Falle aber boten die professionellen Musiker Katharina Hardegen und Elvira Janocha an den Violinen, Renate Mundi an der Gambe, Brigitte Hertel am Virginal und an der Orgel sowie Norbert Hardegen an der Posaune den Besuchern zur späten Stunde ein genuss- und lehrreiches musikalisches Betthupferl.

Zwei weitere Nachtkonzerte stehen noch im musikalischen Angebot der evangelischen Kirche. Eines mit A-cappella-Musik im Juni, von Klassik bis Jazz, und eines erneut mit Alter Musik im September, dann aber auf der Gitarre.




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