Die Situation in den Jahren 2007/08 war vertrackt. Die Stadt hatte als mögliche Fläche für einen - damals als dringend notwendig erachteten - Neubau der Pestalozzischule ein Feldstück am Platzenberg ausgedeutet und damit einen der größten Bürgerproteste der jüngeren Homburger Geschichte ausgelöst. Die Anwohner wehrten sich vehement gegen die Ansiedlung der Schule in ihrem Wohngebiet.
Das Ende der Geschichte ist bekannt: Die Schule wurde nicht am Platzenberg errichtet, es gibt bis heute keinen Neubau - und das ist wahrscheinlich auch gut so. Denn die politische Diskussion lief plötzlich in eine völlig andere Richtung. Inklusion - die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Handicap - lautet das Zauberwort.
Und so sieht die Zukunft der Pestalozzischule, die nach wie vor an der Wiesbadener Straße beheimatet ist, fünf Jahre nach den Anwohner-Protesten plötzlich ganz anders aus. "Die Schule soll zu einer zweizügigen Grundschule mit einer Sprachheil-Abteilung umorganisiert werden", erklärte jetzt Landrat Ulrich Krebs (CDU). War die Pestalozzischule bislang eine Förderschule mit den Schwerpunkten Sprachheil und Lernen, so soll sie jetzt also zu einer allgemeinbildenden Schule werden.
Die gemeinsame (inklusive) Beschulung wird vom Hessischen Schulgesetz vorgeschrieben. Die parallele Sprachheilschule soll für die Grundschule und "bei nachgewiesenem Bedarf" auch für die Mittelstufe eingerichtet werden. Krebs rechnet damit, dass durch die "neue" Grundschule auch die umliegenden Einrichtungen - Hölderlin-, Landgraf-Ludwig- und Ketteler-Francke-Schule - entlastet werden.
Dr. Erik Dinges, beim Staatlichen Schulamt Dezernent für sonderpädagogische Förderung, bestätigt, dass man bereits Gespräche mit dem Schulträger und der Schulgemeinde führe. "Das Ziel, die Schule umzuwandeln, ist klar vor Augen", erklärt Dinges. Ob die Neuerung schon zum Schuljahr 2014/15 greift oder erst ein Jahr später, ist offen. Dinges: "Inhaltlich wäre das denkbar. Fraglich ist aber, ob bis 2014 alle Formalitäten erfüllt sind." Ein Vorteil sei, dass alle Beteiligten dem Projekt positiv gegenüberstünden.
Großer Sanierungsbedarf
Auch Schulleiterin Cornelia Schwarz-Mager weiß, dass "die aktuelle politische Diskussion Veränderungen erfordert. Das ist eine interessante zukunftsweisende Entwicklung". Bei allen geplanten Umwälzungen ist ihr aber vor allem eines wichtig: "dass die Sprachheilschule mit ihren 115 Schülern erhalten bleibt". Deren Ansprüche müssten auch in Bezug auf Förderressourcen berücksichtigt werden.
Aber auch Schwarz-Mager weiß, dass noch etliche Fragen zu klären sind. So brauche die Schule einen neuen Raumplan. Die Schulleiterin rechnet damit, dass künftig um die 350 Kinder die Schule besuchen werden. Bei einer zweizügigen Grundschule für die Klassen eins bis vier und einer Klassenstärke von 25 Kindern wären das 200 Grundschüler, hinzu kämen die Sprachheilschüler, die die Pestalozzischule bis Klasse sechs besuchen. Das Kollegium hat der Umorganisation bereits "mit großer Mehrheit" (Krebs) zugestimmt. Beschlüsse der Gesamtkonferenz und der Schulkonferenz stehen allerdings noch aus.
An organisatorischer Vorarbeit fehlt es nicht. So muss die Stadt die Schulbezirke neu zuschneiden und gemeinsam mit dem Kreis für ein Betreuungsangebot sorgen. Und dann wäre da noch der "große Sanierungsbedarf" an der Schule. Prinzipiell stellt sich die Frage, ob der Standort noch der richtige ist - wovon man, so Schwarz-Mager, beim Kreis ausgehe.
Doch auch am Standort muss kräftig investiert werden. "Wir stehen am Anfang einer positiven Entwicklung. Es gibt jetzt eine klare Linie, eine Vision ist vorhanden."
Und wird diese Schule dann auch weiterhin nach dem Reformpädagogen Pestalozzi benannt sein? "Das", so Landrat Krebs, "muss die Schulgemeinde entscheiden."