Seulberg. Pünktlich zur Jubiläumsfeier am morgigen Sonntag ziert ein ganz besonderes Kreuz die Fassade des Gemeindezentrums: "Das ist das Turmkreuz der katholischen Herz Jesu Kirche, die vor kurzem abgerissen wurde", erzählt Ingeborg Obergassel. Eigentlich sollte auch schon eine der vier heimatlos gewordenen Glocken ihren neuen Ehrenplatz in einem ausgelassenen "Luftfenster" in der Fassade, gleich links über dem Eingang, gefunden haben. "Aber das hat zeitlich nicht mehr geklappt", erklärt Obergassel, die Mitglied des Pfarrgemeinderats ist.
Die beiden besonderen "Souvenirs" der ehemaligen Herz Jesu Kirche zeigen, wo längst das Herz des Gemeindelebens schlägt: In der Ostpreußenstraße. Hier steht seit 20 Jahren das Gemeindezentrum mit seinen markant rötlich eingefärbten Sichtbetonsteinen. Die Besonderheit: Das großzügig angelegte und mit vielen Fensterfronten versehene Haus hat innen viel mehr zu bieten als "nur" ein Gemeindezentrum: Die Kirche ist in Form eines Sakralraums integriert - nur der Glockenturm steht einige Meter entfernt auf dem Gelände. "Damals hat dieser Entwurf für geteilte Meinungen und hitzige Diskussionen gesorgt", blickt Ingeborg Obergassel zurück. "Für viele Gemeindemitglieder war dieses Konzept keine richtige Kirche und so gesehen auch kein würdiger Ersatz für die zu klein gewordene Kirche St. Marien in der Straße In den Dorngärten".
78 Entwürfe
Aber das Modell, das der Darmstädter Architekt Rolf Hochstetter damals eingereicht hatte, überzeugte die Jury. Sein Entwurf war derjenige von insgesamt 78 Vorschlägen aus dem Architektenwettbewerb, den das Bistum Limburg initiiert hatte, der den Vorstellungen eines modernen Gemeindelebens am meisten entsprochen hatte. "Auch unser damaliger Pfarrer Hartmut Rosenthal stand dem Entwurf positiv gegenüber", so Ingeborg Obergassel.
Gemeinsam mit ihrem Mann Josef Obergassel hat sie jetzt aus einem ganz besonderen Anlass im Archiv der Gemeinde gestöbert: Vor 20 Jahren wurde das neue Gemeindezentrum der Friedrichsdorfer Katholiken eingeweiht. Seitdem trägt die Gemeinde den Namen St. Bonifatius. Den schlichten kunstvollen Chorraum des Sakralbaus hat der Aachener Bildhauer und Architekt Ulrich Hahn gestaltet.
"Geweiht wurde die Kirche, die ja in das Gemeindezentrum integriert ist, am 5. Juni 1993 durch den damaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus", erinnert Josef Obergassel, der damals Vorsitzender des Pfarrgemeinderats war. Die Einweihung 1993 feierte die Gemeinde mit 600 Gästen mit einem "Fest der Nationen". "Das war für uns das Bekenntnis der Ortskirche zur Weltkirche", sagt Josef Obergassel.
Doch die Planungsgeschichte des Baus des neuen Gemeindezentrums und die damit verbundene Verlegung des Gemeindelebens von der kleinen St. Marien-Kirche begann schon viel früher: "Bereits Anfang der 1970er Jahre hatte die Gemeinde das Grundstück in der Ostpreußenstraße gekauft, das damals eine Streuobstwiese war", blickt Josef Obergassel zurück.
Denn schon damals sprachen die Zahlen eine deutliche Sprache: Die katholische Gemeinde war stetig am Wachsen. "In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg bis heute wuchs die Zahl von 600 auf 5000 Gemeindemitglieder an", berichtet Josef Obergassel. Und St. Bonifatius ist international: Von den 5000 Katholiken sind rund 1000 ausländischer Herkunft.
"Heute haben wir geschafft, was damals die Idee der Planer war": Für die katholischen Gemeinden der drei Ortsteile Köppern, Seulberg und Friedrichsdorf, die zum Bistum Limburg gehören (Burgholzhausen gehört zum Bistum Mainz) ein Zentrum zu schaffen. Das Konzept und der Wunsch des damaligen Bischofs Kamphaus, ein Gemeindezentrum als Ort der Begegnung anstelle einer Kirche, die nur drei Stunden in der Woche mit Leben gefüllt ist, ist aufgegangen.
"Nach der Einweihung hat sich das Gemeindeleben an seinem neuen Standort schnell positiv entwickelt." Vor allem das Raumkonzept des Architekten Hochstetter trägt dazu bei: "Seine Architektur lädt zur Kommunikation ein. Einerseits mit dem großzügigen Vorraum, und andererseits mit der Verbindung durch die große Fensterfront zum ebenso großzügigen Außenplatz, der an ein römisches Amphitheater erinnert. "Niemand steht direkt nach dem Gottesdienst auf der Straße und jeder verweilt gerne."