Das Hermann-Schlosser-Haus ist das einzige Überbleibsel des ehemaligen Degussa-Geländes. Die klassizistische Villa heißt heute Main-Palais, denn sie gehört mit zu dem MainTor-Viertel, das die Immobilienaktiengesellschaft DIC dort derzeit realisiert - hochpreisige Büros und Wohnungen mitten in der Stadt am Mainufer. Während draußen die Bagger über die brachliegende Fläche rasen, sitzt Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) in einem der prunkvollen Räume des Main-Palais mit Stuck und Kronleuchtern an der Decke. Für das Stadtoberhaupt der richtige Ort, um nach seinen Expertengruppen "Internationalität" und "Seniorenpolitik" nun ein weiteres Beratungsgremium vorzustellen: die Expertengruppe "Wohnen und Stadtentwicklung". Auch der Hausherr selbst, Ulrich Höller, seines Zeichens DIC-Vorstandschef, sitzt mit am Tisch, ist er doch Teil des neuen Beratungsteams. Das bedeute aber nicht, dass Feldmann nun seinen Kampf für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt aufgeben will. "Aber auch das klassische hochpreisige Wohnen gehört in Frankfurt dazu", so der OB. "Wir dürfen nicht einseitig denken." Deshalb habe er für seine "Top-Priorität", wie er das Thema Wohnen nennt, eine heterogene, überparteiliche, interdisziplinäre Expertengruppe. Aber: "Sie sind keine Konkurrenz für Planungsdezernent Olaf Cunitz." Das Gremium solle ihn lediglich beraten. "Und ich erwarte mir fundierte Vorschläge, die dann eine hohe Durchschlagskraft haben."
Neben Höller gehören Frank Junker, Geschäftsführer der städtischen ABG Holding, Marion Schmitz-Stadtfeld, Leiterin des Bereichs Integrierte Stadt- und Gewerbeflächenentwicklung der Nassauischen Heimstätte (NH), sowie Stadtplaner Marcus Gwechenberger dem Kreis an. "Ich bin schon lange im Geschäft", sagt Junker. Dass sich der Oberbürgermeister von Experten aus öffentlicher und privater Hand beraten lasse, sei ein Novum. "Und deshalb unterstütze ich das auch. Es ist der richtige Ansatz, mit dem man Probleme lösen kann." Höller will sein Know-how im Bereich Gewerbeimmobilien einbringen. Denn: "Eine Stadt muss immer ein Mix aus Gewerbe und Wohnen sein. Frankfurt profitiert davon, ein Bürostandort zu sein." Für Schmitz-Stadtfeld ist es wichtig, das eindimensionale Denken aufzubrechen. "Dezernatsübergreifend arbeiten" sei das Zauberwort. Außerdem müsse vor allem für die Mittelschicht Wohnraum geschaffen werden. "Sie hält eine Stadt zusammen", so die Politologin.
Einmal im Quartal will sich das Gremium mit dem Stadtoberhaupt zusammensetzen - oder nach Bedarf, wenn Feldmann ein Anliegen habe. Lösungen hat das Team aber noch nicht parat. Es fallen Begriffe wie Verdichtung, Wohn-Hochhäuser, Umwandlung von Büros in Wohnungen, gemeinsam mit der Region Bauen. Alles schon gehört. "Die Lösungen sind aber nicht alternativ zu sehen. Wir brauchen alle", so Feldmann.
Das nächste Treffen der Expertengruppe findet nach der Sommerpause statt. Auf der Agenda steht dann das sogenannte "München Modell". In der bayerischen Landeshauptstadt wird die Vergabe von Baugenehmigungen daran gekoppelt, dass die Investoren 30 Prozent der Flächen für Sozialwohnungen reservieren. "Sozialgerechte Bodennutzung" nennt sich das. In Frankfurt gilt dies bereits für öffentliche Träger wie die ABG oder NH. Feldmann will dies nun auch auf die privaten Investoren ausweiten. Wird die Idee als gut befunden, könnte ihm auch hier wieder Ulrich Höller behilflich sein. "Er könnte die Privaten davon überzeugen, das Angebot anzunehmen", so der OB.