"Achtung Leute, jetzt wird’s laut", kündigt Stefan Singh an. Er arbeitet zwar im Bistro der Oberurseler Werkstätten am Zimmersmühlenweg, aber im "Zweitjob" ist er in der Mittagspause "Mr. Music-DJ". Und das alles nur, weil er manchmal zu viel "überschüssige Energie" hat.
Johanna Negha, die seit Dezember vergangenen Jahres in den Werkstätten arbeitet, weil sie dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert, hatte dazu eine tolle Idee. Da die Frankfurterin gerade eine Tanzausbildung im Bereich Hip-Hop absolviert, die IHK-geprüft ist, bot sie den Mitarbeitern der Werkstätten-Zweigstelle für Menschen mit psychologischer Problematik einen Tanzkurs in der Mittagspause an.
Inzwischen schallt Musik aus der kleinen Anlage und Johanna Negha legt gleich los. Heute sind neun Mitarbeiter in den Allzweckraum hinter dem Bistro gekommen. "Manchmal sind es noch mehr", sagt Einrichtungsleiterin Edina Weth-Weil. "Je nach Lust, Laune, Urlaub oder Krankheit der Beschäftigten."
Erst mal macht Johanna Negha Übungen zum Lockern vor. Schultern kreisen lassen, Arme nach oben oder Hüften nach links und rechts drehen, lauten die Kommandos. Alle sind mit Elan dabei, jeder so, wie er es am besten kann. "Super gut!", lobt Negha ihre Schüler. "I crashed my car into the bridge. I don’t care", singt derweil "Icona Pop". Alle bilden einen Kreis, aus dem sich plötzlich Simone Leschowsky löst und drauflos tanzt. Da hält es auch Margit Röder nicht lange und sie macht ebenfalls mit. Derweil klatschen die Außenstehenden begeistert Beifall.
Hier geht es nicht darum, in welchem Stil getanzt wird. Jeder nach seiner Fasson, nur der Spaß an der Sache steht im Vordergrund. Auch die Männer machen mit und zeigen, was sie können. Jeder wird gefeiert - ein Riesenschub fürs Selbstbewusstsein.
Simone Leschowsky arbeitet seit neun Jahren im Bistro der Werkstätten. "Ich habe beim Tanzkurs von Anfang an mitgemacht, weil es unheimlich viel Spaß macht", erzählt sie. Mindestens ebenso begeistert ist Margit Röder. "Ich tanze auch zu Hause. Dann mache ich mir das Radio an oder höre mein Lieblingslied von DJ Ötzi ,Anton aus Tirol‘ und übe, was wir gelernt haben", verrät sie. Katharina Klein gefällt es einfach, sich zu bewegen und dass jeder auch seinen Stil tanzen kann.
Johanna Negha ist eine von insgesamt sechs FSJlern, die zurzeit in den Oberurseler Werkstätten arbeiten. Sie wurde von Volunta, einer Gesellschaft des DRK Hessen, vermittelt.
Gerade das Freiwillige Soziale Jahr habe ihr gezeigt, dass sie zwei Leidenschaften miteinander verbinden möchte, erzählt Johanna Negha. "Ich werde zwar ab Oktober Tanzlehrerin sein, möchte das aber nicht zum Hauptberuf machen", führt sie aus. "Eine Arbeit im sozialen Bereich, zum Beispiel in einem Jugendhaus oder in einer Behindertenwerkstatt, schwebt mir vor."
In diesen Monat endet ihr Freiwilliges Soziales Jahr. Was dann aus dem Tanzkurs wird, steht noch nicht fest. "Ich hoffe natürlich, das der nächste FSJler tanzen kann und das Projekt weiterführen wird", wünscht sich Johanna Negha.