Mit einem Paukenschlag ist eine Ära im Großen Rat der Fastnachtvereine Frankfurt zu Ende gegangen. Klaus Fischer, fast 20 Jahre lang Präsident und damit Frankfurts Obernarr, hat in einer nichtöffentlichen, außerordentlichen Mitgliederversammlung seinen Rücktritt verkündet. Offiziell begründete er diesen Schritt mit dem Wunsch nach einer Verjüngung in der Führung der Dachorganisation der Frankfurter Fastnacht. Inoffiziell ist bekannt, dass sich der 63-Jährige wegen eines Misstrauenantrags dazu genötigt sah. Der Höhepunkt eines seit Monaten, wenn nicht gar seit Jahren schwelenden Konflikts innerhalb des Rat-Präsidiums.
Uneinigkeit im Präsidium
Hintergrund, so Ratssprecher Peter Ruhr, seien "unterschiedliche Auffassungen von Führungsaufgaben im Großen Rat. Der Vizepräsident hat darauf gedrängt, dass sich etwas ändern muss. Wir müssen in die Zukunft blicken". Die Zukunft sollte mit der außerordentlichen Versammlung, zu der die Vizepräsidenten Gerhard Eifler und Rainer Kreutz sowie Schatzmeister Bernard Braun eingeladen hatten, beginnen. Ihr Ziel: die Abwahl Fischers. "Wir waren uns im Präsidium nicht mehr einig", sagt Eifler.
Klaus Fischer ist ein Alphatier. Doch davon scheint es im Präsidium des Großen Rats derzeit viele zu geben, heißt es aus wohl informierten Kreisen. "Dass es da rumort hat, war nicht zu überhören. Wenn zu viele Alphatiere unterwegs sind, wird das schnell zum Problem. Der Große Rat ist in einem desaströsen Zustand", so ein Fastnachter. Und das nicht erst seit dem Rücktritt Fischers.
Folgen des Skandaljahrs
Viele sehen den Anfang dieses Endes in den Querelen der Kampagne 2006 / 07 und des Jahres 2007 insgesamt. Zuerst mussten die Frankfurter ohne Prinzenpaar in die Saison starten, dann kam es zum öffentlich ausgetragenen Streit mit den Nachbarn aus Offenbach (sie durften nicht am Zug teilnehmen) und zuletzt servierten die Narren den beliebten Zug-Kommentator Klaus-Peter Musch ab. Im Sommer mussten die Fastnachter dann zusehen, wie ihre Dachorganisation im Chaos zu versinken drohte. Der damalige Zugmarschall Dieter Schwarz und Fastnachtsprinz Stephan Siegler stritten sich vor Gericht darüber, ob der Zugmarschall in die Kasse gegriffen habe oder nicht. Schwarz sei nichts nachzuweisen, so das damalige Urteil. Kurze Zeit später hetzten die einstigen Freunde Klaus Fischer und Dieter Schwarz gegeneinander und warfen sich Verfehlungen vor.
Schließlich trat das gesamte Präsidium zurück. Viele Karnevalisten waren davon überzeugt, dass nun ein neuer Präsident her müsse, einer, der mit den Querelen der jüngsten Vergangenheit nichts zu tun habe, einer, der frisch und unbelastet sei, einer, der nicht unter dem Verdacht stehe, die Machenschaften im Großen Rat jahrelang geduldet zu haben. Was knapp einen Monat später folgte, war eine Überraschung: die Wiederwahl Fischers.
Damals betonte er, es "anders machen" zu wollen. Die Zeiten der Zwei-Mann-Show (Fischer/Schwarz) sollten vorbei sein, stattdessen sollte die Arbeit auf die Schultern der Vereine verteilt werden. Nun sagt Vizepräsident Eifler: "Klaus Fischer war eine Ein-Mann-Show." Sein Führungsstil sei problematisch gewesen. Er habe Alleingänge unternommen und seine Stellvertreter nicht genügend eingebunden. Außerdem heißt es, Fischer habe dem Großen Rat auch finanziell geschadet. Zu den Vorwürfen will Fischer keine Stellung beziehen, er sagt nur: "Ich bin zurückgetreten, damit es Ruhe gibt." Außerdem sei die Kasse des Großen Rats mit 52 000 Euro aus Einnahmen gut gefüllt.
Aus den Reihen der Delegierten gibt es Kritik am Vorgehen des Präsidiums - auch wenn die Teilnehmer gebeten wurden, zum Wohl der Fastnacht niemandem etwas zu sagen. Die Versammlung sei das "reinste Kasperletheater" gewesen, heißt es zum Beispiel. Oder: "Der Große Rat vera... uns doch." Oder: "Die zerfleischen sich gegenseitig und damit auch die Vereine." Aber auch: "Das ist doch eine ganz üble Intrige von den Herren Kreutz, Eifler und Ruhr." Oder schlicht: "Das hat Klaus Fischer nicht verdient."
Zur Versöhnung beigetragen
In den 20 Jahren seiner Regentschaft hat Fischer einiges auf die Beine gestellt: So gehörte es zu seinen ersten Amtshandlungen, die jahrelang zerstrittenen Fastnachter aus Großem Rat und Heddernheim zu versöhnen. Auch auf die in der Stadt lebenden Ausländer ging Fischer zu. Heute sind viele von ihnen in der Fastnacht aktiv. Die Inthronisationssitzung des Frankfurter Prinzenpaares beim Hessischen Rundfunk und die 2011 ins Leben gerufene Rosa-Wölkchen-Sitzung lagen ihm besonders am Herzen.
Am 3. Juni sollen die Delegierten in der ordentlichen Hauptversammlung einen neuen Präsidenten wählen. Rainer Kreutz, Fastnachtsprinz a.D. und Vizepräsident, stehe für das Amt zur Verfügung, so Ratssprecher Ruhr. Und Eifler betont, dass "die Aufgabenteilung klar unter uns abgesprochen ist". Das letze Wort jedoch haben die Delegierten der über 60 Mitgliedsvereine im Großen Rat.