Quantcast
Channel: Rhein-Main
Viewing all articles
Browse latest Browse all 41368

Kein Blick zurück im Zorn - Friedrich A. Meiss feiert seinen 80. Geburtstag über den Dächern der Kurstadt

$
0
0

Ein riesiger Schreibtisch im obersten Stock "seines" Möbelhauses mit Blick über die Dächer der Kurstadt - im Oktober 2009 saß Friedrich A. Meiss zum letzten Mal auf seinem Ledersessel. Sein Unternehmen war insolvent; seither betreibt die Firma Braum das Möbelhaus, und seit kurzem gehört ihr auch das markante Eckhaus an der unteren Louisenstraße. Kein Grund für Meiss, hier nicht seinen runden Geburtstag zu feiern.

Während im Nebenraum eine größere Runde bei Sekt und Schnittchen zusammensitzt und immer wieder frühere Weggefährten mit bunten Päckchen und feierlichem Gesichtsausdruck aus der Tür des klapprigen Aufzugs kommen, nimmt Meiss, als wäre alles wie früher, auf dem Ledersessel Platz, der jetzt einem anderen Geschäftsmann gehört. "39 Jahre habe ich hier gesessen", erklärt der Jubilar. Und noch immer habe er hier ein Büro.

Unten im Laden geht es derweil eher ruhig zu, doch Meiss erzählt: "Das Geschäft läuft gut." Es ist ihm anzumerken, wie wichtig es ihm ist, dass sein Sohn Thomas hier Verkaufsleiter ist. Die Kundenbetreuung sei heute schwieriger als früher; die Spezialisten fehlten. 25 Mitarbeiter hat das Möbelhaus immerhin noch; in Spitzenzeiten in den 80ern waren es 72.

Der feine Innenausbau für besonders anspruchsvolle Kunden war seine Spezialität. Seine Kunden lebten nicht nur in Bad Homburg. "Wir haben alles entworfen, vom Boden bis zur Decke", erzählt der frühere Möbelzar. "Ich bin ja auch Architekt", sagt er. Von 1987 an bot er zusätzlich exklusive Betten an. Als 19-Jähriger hatte Meiss von seinem Großvater Friedrich Wolf dessen Tischlerei in Ober-Eschbach übernommen. Die Unternehmensgeschichte der Familie lässt sich bis 1770 zurückverfolgen. 1957 gründete Meiss in der Ober-Eschbacher Straße die Firma "Möbel Meiss". In den "Ober-Eschbacher Möbelhallen" bot er bald nicht mehr nur selbstgefertigte Teile an und wurde so zum Handelsbetrieb.

 

Verdienstkreuz-Träger

 

Bald wollte der Schreinermeister in die Innenstadt. 1968 kaufte er die fünf Altbauten an der Ecke rund um den ehemaligen "Englischen Hof". Die Finanzierung war kein Problem: "Ich hatte viel Geld." Und eine Vision. 1970 eröffnete er sein Möbelhaus mit 40 Mitarbeitern und der - damals todschicken - weißen Fassade. In besagter fünfter Etage wurden nicht nur Entscheidungen für das eigene Geschäft, sondern für die künftige Einkaufsstadt getroffen.

Mehr als 20 Jahre lang war Meiss Vorsitzender des Bad Homburger Einzelhandelverbandes, Vorgänger der heutigen Aktionsgemeinschaft, deren Gründung er mitinitiierte. Viel (Frei-) Zeit widmete der Geschäftsmann der Entwicklung der Fußgängerzone. 1998 wurde er für seinen außerordentlichen Einsatz für den Einzelhandel mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Auch in weiteren Verbänden war er tätig, zudem viele Jahre im Kirchenvorstand der Erlöserkirche, wo er auch die Kirchenmusik förderte.

Und was hält der 80-Jährige heute von der Einkaufsstadt Bad Homburg? "Dazu möchte ich mich nicht äußern", sagt er vorsichtig. Direkt hinter seinem einstigen Schreibtisch prangt das Rathaus, in dem man sich einst gegen die "große Lösung" des Louisen-Centers entschied - eine Lösung, die er gern gehabt hätte. Doch der Blick zurück im Zorn ist seine Sache nicht. Milde lächelnd steht er auf und geht ins Nebenzimmer, zu seinen Gästen. Es gibt immerhin etwas zu feiern.




Viewing all articles
Browse latest Browse all 41368