Der Professor für Öffentliches Recht wurde sehr deutlich: "Das ist eine deutliche Beschädigung der demokratischen Vorgänge", sagte Joachim Wieland am Freitag in Wiesbaden. Eine solche "eklatante Verletzung" von verfassungsgemäßen Rechten einer parlamentarischen Minderheit habe er noch nicht erlebt. Hier werde "wissentlich und willentlich" die Demokratie verletzt, "das darf man so nicht", betonte der renommierte Speyrer Staatsrechtler, der auch schon Bundespräsidenten vor Gericht vertreten hat und die Bundesregierung immer wieder bei Verfassungsreformen berät.
Aufgebrachter Experte
Was den Experten so aufgebracht hatte, war ein Beweisbeschluss der Regierungsfraktionen von CDU und FDP zum Untersuchungsausschuss der European Business School (EBS). Darin fordern CDU und FDP die Ladung von nicht weniger als 70 Zeugen, darunter alle hessischen Wissenschaftsminister bis zurück ins Jahr 1991. Die Zeugen sollen laut Beweisantrag, der dieser Zeitung vorliegt, unter anderem bestätigen, dass es eine Ausbildung wirtschaftsnaher Juristen in Deutschland so nicht gebe, allein zwölf Rechtsanwälte sollen bestätigen, dass es auf dem Arbeitsmarkt einen Bedarf für derart ausgebildete Juristen gibt.
Der Opposition war deswegen der Kragen geplatzt: "Wenn das so kommt, dann ist der Untersuchungsausschuss tot", hatte etwa Linksfraktionschefin Janine Wissler im Vorfeld der Sitzung am Freitag gesagt. "Die Arbeit des Untersuchungsausschusses wird systematisch verzögert", klagte SPD-Obmann Marius Weiß am Freitag. Schon die Bereitstellung der notwendigen Akten durch die Landesbehörden habe vier Monate gedauert. Der im Dezember 2012 eingesetzte Ausschuss habe mit seiner echten Arbeit noch nicht einmal begonnen. Ein Untersuchungsausschuss solle die Regierung kontrollieren, "wenn das nicht mehr gewährleistet ist, geht das an die Grundfesten der Republik", betonte auch Grünen-Obmann Daniel May. Der Beweisantrag von Schwarz-Gelb mache den Ausschuss endgültig handlungsunfähig, so die Befürchtung, deshalb gaben SPD und Grüne eilig ein Gutachten bei dem Speyrer Rechtsexperten in Auftrag.
"Ein Klassiker"
"Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das ein Klassiker", sagte Wieland gut gelaunt bei der Vorstellung seines Gutachtens: Die Regierungsmehrheit versuche "das gute Regierungshandeln" im Ausschuss auf die Tagesordnung zu setzen, das sei durchaus legitim, damit die Untersuchung nicht einseitig werde. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei aber ein wichtiges Minderheitenrecht im deutschen Parlamentarismus. Dazu gehöre auch, dass die Minderheit das Thema bestimmen dürfe und sogar ein Recht darauf habe, dass dieses Thema auch effizient abgearbeitet werde. Das habe besonders deutlich der Hessische Staatsgerichtshof bereits zweimal herausgearbeitet. "Das ein drittes Mal zu versuchen, das habe ich noch nicht erlebt", sagte Wieland.
Bei über 70 Zeugen werde der Ausschuss zudem in dieser Parlamentsperiode, die bis zum 18. Januar 2014 geht, nicht mehr dazu kommen, sein eigentliches Thema zu bearbeiten, betonte Wieland. Auch sagten Fragen wie das Renommee der EBS oder die Qualität der juristischen Ausbildung "nichts darüber aus, ob es einen Missstand bei der Förderung gegeben hat", erläuterte der Professor: "Dieser angekündigte Beweisantrag sprengt den Untersuchungsauftrag und ist deshalb verfassungswidrig."
Sichtlich unangenehm
CDU und FDP war das sichtlich unangenehm. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, CDU-Generalsekretär Peter Beuth, hatte sich sogar - ganz entgegen aller parlamentarischen Gepflogenheiten - in die Pressekonferenz der Opposition gesetzt. Manch einer sprach danach von einer "Drohkulisse", Beuth selbst rechtfertigte sich, er habe "Sorge gehabt", dass aus nichtöffentlichen Unterlagen zitiert werden könne. CDU-Obmann Rolf Müller verteidigte den Antrag als "gut strukturiert", deutete zugleich aber auch an, über die Zahl der Zeugen könne man doch reden.
"Als wären wir hier auf dem Basar", empörte sich darüber Obmann Weiß. "Die haben keine Schamgrenzen mehr", kritisierte auch May. Aus Angst vor der Landtagswahl am 22. September werde "mit allen Tricks" zu verhindern versucht, dass über "die Klientelpolitik" von Schwarz-Gelb berichtet werde. CDU und FDP ließen ihren Antrag schließlich zurückstellen. Ein Straftatbestand sei die Verletzung der Verfassungsrechte übrigens nicht, sagte Wieland, und fügte hinzu: "Solche Sünden werden demokratisch bestraft."