Es ist ein unscheinbares Haus in der Frankfurter Landstraße. "Flotte Locke" steht auf dem Schild. Wer vorbeifährt, mag an einen Friseursalon denken. Ganz falsch liegt man damit nicht. Allerdings geht es im Salon von Angela Bautsch-Limpert nicht um Strähnchen und Dauerwelle. Wer bei "Flotte Locke" einen Termin hat, kommt auf vier Beinen daher, trägt ein Halsband und bringt am anderen Ende der Hundeleine Herrchen oder Frauchen mit.
"Flotte Locke" ist ein Hundesalon. Einst Privileg herrschaftlicher Familien, bringen heute Hundebesitzer aller Alters-, Berufs- und Vermögensklassen ihre Lieblinge zum Friseur. Sie kommen zum Baden, Kämmen oder Schneiden, alle sechs Wochen, andere zweimal im Jahr.
Sarah kommt regelmäßig zum Auskämmen. Sarah ist eine prächtige Afghanen-Hündin, die gerne in der Natur unterwegs ist. Das hinterlässt Spuren im Fell. Ein Fall für den Profi. Sarah stellt sich auf den Tisch und hat es bald geschafft. "Hier sind noch zwei Stellen", stellt Angela Bautsch-Limpert fest, zückt den Kamm und versucht, das verhedderte Fell zu entwirren. Wo der Kamm nicht ausreicht, muss die Schere ran. Noch eine letzte Stelle.
Leckerli fürs Stillhalten
Über dem Tisch der Galgen, eine Fixiervorrichtung, deren Arm wie ein Galgen über den Tisch ragt. Angela Bautsch-Limpert benutzt sie, so erklärt sie, vor allem aus einem Grund: "Die Verletzungsgefahr ist ansonsten zu groß, falls der Hund einmal vom Tisch springt." Sarah will nicht springen. Die Hündin lässt sich anstandslos verschönern. Der Tisch wird heruntergefahren. Brave Sarah. Ein Leckerli zur Belohnung und Sarah gesellt sich zu ihrer Schwester Terry. Die ist gleich mitgekommen, lebt mit Sarah bei Herrchen Werner Schneider und ist als nächstes dran. "Sie hat aber glatteres Fell. Da geht alles viel schneller und unkomplizierter", erklärt Herrchen.
Fellpflege mit Werkzeug
Nur wenige Kilometer entfernt in Königstein. Hier weist ein kleines Schild mit der Aufschrift "Cats and Dogs" den Weg zu Beate Krug. Zusammen mit ihrem Mann Bernhard betreibt sie den kleinen Laden mit Hundesalon in der Kirchstraße. Getrocknetes Antilopenfleisch oder Leckerlis mit Ente oder Hirsch - viele Tierbesitzer, die Abwechslung in den Napf bringen möchten oder spezielles Futter suchen, kommen vorbei. Im hinteren Raum ist der Hundesalon von Beate Krug angesiedelt. In der Mitte der typische Arbeitstisch, in den Schränken ein riesiges Sortiment von Scheren, Messern, Sprays.
Kundschaft ist auch da: Socke, ein junger, prächtiger Foxterrier, der heute getrimmt wird. "Ich wurde schon gefragt, ob wir dafür ein Laufband haben", lacht Beate Krug. Nein, Trimmen hat hier nichts mit Sport, dafür aber viel mit Fellpflege zu tun. Beate Krug pflegt und verschönert hauptsächlich Terrier. Auch andere Rassen gehören zu ihren Stammkunden. Terrier jedoch machen mit rund 70 Prozent den Großteil aus. Eigentlich wohnt Socke in Kaiserslautern. Frauchen Silvia Runge erfuhr von Cats and Dogs per Mund-zu-Mund-Propaganda und damit wie die meisten Kunden. "Ich habe Kunden aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet, aber auch aus Speyer und Aschaffenburg", so Krug.
Mittlerweile steht Socke frei auf dem Behandlungstisch. Gut drei Stunden wird er dort bleiben. Beate Krug greift zum Trimm-Messer. Vom Hals aus Richtung Schwanz beginnt sie, mit dem grobgezahnten Werkzeug durch Sockes Fell zu ziehen. Terrierfell verlangt besondere Pflege und sollte getrimmt werden. Abgestorbenes, totes Haar wird bei diesem Durchgang herausgezogen. Socke scheint es zu genießen.
Auch wenn Hundefriseur nach Mode und Verschönerung klingt: Allein der schöneren Optik wegen kommen Socke und seine Kollegen nicht. Das gepflegte, getrimmte Fell bedeutet auch Hygiene. "Viele Hautekzeme entstehen, weil das Fell verfilzt, neue Haare nicht nachwachsen können und die Haut keine Luft bekommt", so die Fachfrau. Bereitwillig lässt Socke die Prozedur über sich ergehen. Beate Krug arbeitet ohne Fixierung mittels Galgen. Frauchen Silvia verabschiedet sich. Sie nutzt die Zeit der Behandlung für Erledigungen. Der Foxterrier schaut ihr nach. Kein Jaulen. Man hat ja schließlich als Hund seine eigenen Termine. Frauchen wird ihn später wieder abholen. Und er wird sie mit neuer Frisur sicher beeindrucken. Später. Denn noch zupft das Trimm-Messer. Gut zwei Drittel der Gesamtzeit nimmt dieser Durchgang in Anspruch. Schnell ist zu sehen, warum: Erst ist es eine Handvoll, später ein ganzer Berg Haare, den Beate Krug aus dem Terrierfell zieht. Mancher Hundebesitzer nimmt die Haare übrigens mit. "Für den Garten als Abschreckung gegen Marder. Eine Dame wollte die Haare aber auch zu einem Pullover verarbeiten."
Immer und immer wieder fährt das Trimm-Messer durchs Fell. Wer zuschaut, ahnt, welche Kraftanstrengung und einseitige Beanspruchung der Beruf verlangt.
Seit 17 Jahren arbeitet die 52-Jährige mit Hunden. Davor hatte sie einen durchaus sicheren Arbeitsplatz. Dann schaffte sich das Ehepaar einen Hund an, einen Terrier. Trimmen stand an. Doch das Fell des Vierbeiners wurde auch nach dem Besuch im Hundesalon immer schlechter. "Mein Mann meinte, ich solle es doch selbst versuchen". Tat sie auch. Mehr noch. Sie absolvierte Lehrgänge, die sie qualifizierten, und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit. Seither pflegt sie nicht nur den eigenen Hund. Bereut hat sie es keine Minute.
Aus der Bank in den Salon
Zurück nach Oberursel, wo die Geschichte von Angela Bautsch-Limpert ähnlich klingt. Heute ebenfalls 52 Jahre alt, arbeitete sie früher im Wertpapiersektor von Banken. Die Kinder kamen, mit ihnen eine Jobpause. Als sie wieder zurück in den Beruf wollte, fand sie keinen Job. Ihre Mutter hatte eine Idee: "Eröffne doch einen Hundesalon."
Auch bei ihr hatte es in der Familie immer Hunde gegeben. Fellpflege und Umgang mit Hunden war selbstverständlich. Warum nicht zum Beruf machen, was einem liegt und Spaß macht? Auch Angela Bautsch-Limpert belegte Kurse, eignete sich Wissen und Können an und eröffnete 2004 ihren Hundesalon. Auch ihre Kunden nehmen teils weite Wege in Kauf.
Aber zurück zu Hündin Terry. Sie ist fertig gekämmt und hat wieder ein makelloses Fell. Jetzt geht es nach Hause.
Frühjahrsschnitt
Nebenan ist Badetag. Malteserrüde Amigo kommt in die Wanne. Angst davor hat er nicht. Haltung und Gesicht verraten aber: Baden findet er uncool. Christa Bautsch, Mutter der Ladeninhaberin, setzt den kleinen Kerl in die Wanne. Fell nass machen, ein wenig Hundeshampoo, einschäumen, abduschen. Der Kopf zum Schluss. Gründlich, aber schnell und besonders vorsichtig, damit weder Nase noch Augen und Ohren zu viel Wasser und Schaum abbekommen. Amigo scheint beleidigt. Mit einem Handtuch wird der kleine Kerl abfrottiert und kommt zurück in den Salon. Hier ist Pudeldame Cora eingetroffen. Angela Bautsch-Limpert hat den Behandlungstisch desinfiziert und frisches Werkzeug geholt. Cora, bitte.
"Jetzt im Frühjahr, wenn Fellwechsel angesagt ist, kommen besonders viele", so die 52-Jährige. Auch Coras Winterfell soll einem flotten Frühjahrsschnitt weichen. Baden und Schneiden bei einem Mittelpudel liegt bei "Flotte Locke" preislich bei 48 Euro. Das elektrische Schneidegerät ist Cora ein wenig unheimlich. Aber Frauchens gutes Zureden macht tapfer. "Eigentlich haben die Tiere eher vor dem Föhn, vor dessen Geräusch, Respekt", so die Fachfrau. Gerade wird Amigo unter besagtem Föhn getrocknet und darf vom Tisch. Wie ein trotziges Kleinkind wälzt er sich sofort demonstrativ auf einer Decke, als wolle er alle Schönheit wieder durcheinander bringen. Die Lacher sind auf seiner Seite. So kommen Pudel, Mischlingshunde, neuerdings auch neue Rassen wie der Labradoodle, eine Züchtung aus Labrador und Pudel.
Mit allen Rassen auskennen müssen sich die Orschelerin wie die Kollegin in Königstein. Denn Hund soll nicht nur schön, sondern auch typisch aussehen. Und unterschiedliches Fell verlangt individuelle Behandlung.
Ach ja, und was macht Socke bei Cats and Dogs? Nach etwa drei Stunden ist der Foxterrier in Königstein runderneuert. Trimmmesser, Schere und Feinschere für den letzten Schliff an Ohren und Schnauze haben ganze Arbeit geleistet. Socke fährt wieder nach Kaiserslautern. 55 Euro pro Stunde zahlt Frauchen für die Hundepflege. Handarbeit hat ihren Preis. Socke hat keine Pause gebraucht. Dafür aber jetzt sicher der Arm von Beate Krug.
Apropos Pause: Die machte kürzlich auch ein Hund quasi unter ihren Händen. "Ein Labrador ist hier auf dem Tisch bis zum Ende der Behandlung eingeschlafen und hat laut geschnarcht."