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Blockupy macht die Zeil dicht

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Die EZB-Blockade

Der Wind peitscht den Regen durch die Straßen. Die Blockupy-Aktivisten haben sich trotzdem vor 6 Uhr aus ihren Schlafsäcken geschält, um die Europäische Zentralbank (EZB) zu blockieren. Aus mehreren Richtungen wollen sie das Hochhaus in die Zange nehmen, finden sich aber jeweils vor Polizeiabsperrungen wieder. Diese werden kurzerhand in die Blockaden einbezogen. Die Protestler bilden Großgruppen, skandieren: "Nobody in, nobody out!" ("Keiner rein, keiner raus!"). Banker auf dem Weg zur Arbeit müssen umkehren.

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Wie unterschiedlich die Gruppen des Blockupy-Bündnisses sind, macht der Blick auf die Demonstranten deutlich. Einige sind als Clowns verkleidet oder lassen Seifenblasen fliegen, andere sind schwarz vermummt und reißen Teile der Absperrung weg. Polizisten setzen Pfefferspray ein, um die Zäune zu schützen, dann dringen gepanzerte Beamte blitzartig ins Lager der Krawallmacher vor. "Haut ab! Haut ab!", brüllen die Aktivisten.

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"Die Blockade der EZB steht", ruft ein Aktivist gegen 8 Uhr ins Megafon. Seine Mitstreiter jubeln. Ein Banker ist weniger begeistert: "Das hat doch keinen Wert hier. Ich geh heim, bevor die Typen ausrasten", sagt er und nickt in Richtung der Blockierer.

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Wer glaubt, dass antikapitalistische Proteste jedem Unternehmer schaden, der irrt: Vor dem Kiosk namens "Das Investment" stehen Dutzende Aktivisten nach Kaffee an. Als die Blockade um 10.30 Uhr aufgelöst wird, hat Betreiber Jack Bailly "schätzungsweise 400 Tassen" verkauft.

Aktionen in der City

Nach der EZB-Blockade ziehen einige Aktivisten zur Deutschen Bank, wo sie gegen Rüstungsgeschäfte und Nahrungsmittelspekulation protestieren. Die Polizei hat zwei Wasserwerfer in Stellung gebracht, die Lärm-Demo mit Kochtöpfen und Löffeln geht aber friedlich über die Bühne. Ungemütlich wird’s hingegen bei dem Recht-auf-Stadt-Marsch, der zum Immobilienkonzern Deutsche Annington führt. Polizisten greifen durch, obwohl eigentlich alles ruhig schien. Ein Beamter schubst eine Clownin im Vorbeigehen.

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Schwerpunkt der Proteste in der City ist die Zeil: Die Aktivisten blockieren einen Eingang von Karstadt, die anderen Türen machen die Mitarbeiter des Kaufhauses von selbst dicht. "Aus Sicherheitsgründen", wie sie den Kunden erklären müssen. "Ich ärgere mich schon, wenn das hier noch länger dauert", sagt Silvia Meron, die einen Friseurtermin hatte.

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Blockupy versetzt die Zeil den ganzen Nachmittag über in einen Ausnahmezustand. Viele Geschäfte werden vorübergehend belagert, das Einkaufszentrum MyZeil gleich von Hunderten Demonstranten. Es herrscht Festivalatmosphäre, Musik- und Tanzeinlagen bringen die sympathische Seite des Protests zum Vorschein. Es gibt aber auch wieder unschöne Szenen: Ein Farbbeutel klatscht gegen das Herrenmodegeschäft Eckerle, kurz darauf schreiten Polizisten ein.

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Lutz Stüdemann (51) aus Frankfurt verfolgt die Proteste: "In einer Demokratie ist es wichtig, dass Meinung geäußert wird", findet er. "Man merkt, dass die Demonstranten über Politik nachdenken. Gewaltbereitschaft aber kann ich nicht akzeptieren, ebenso wenig die Stürmung von Geschäften." Kristina Renner (29), die in einer Apotheke arbeitet, hat für Blockupy gar nichts übrig: "Es nervt, dass wegen denen Steuergelder verschwendet werden. Die leben auf unsere Kosten. Ich bin im selben Alter wie viele der Demonstranten. Im Gegensatz zu ihnen, gehe ich aber lieber arbeiten."

Protest am Airport

Auch den Frankfurt Airport, den Blockupy als "Abschiebeflughafen" bezeichnet, nehmen die Aktivisten ins Visier: Am Regionalbahnhof stellen sich Einsatzkräfte entlang der Gleise auf, um die Demonstranten in Empfang zu nehmen. Die drängen zwar mit Verspätung, dafür aber in Scharen aus den Zügen. Die Polizei spricht von 700 Aktivisten, Blockupy von 800.

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Die Protestler sammeln sich am Taxistand vor dem Terminal 1. "Wir befinden uns heute in einem Dilemma", erläutert Blockupy-Sprecher Martin Sommer. "Das Verwaltungsgericht hat erlaubt, dass im Terminal demonstriert werden darf, allerdings mit nur 200 Teilnehmern. Welch eine absurde Auflage! Nun müssen wir eine Delegation auswählen."

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Bis das geschehen ist, wird es noch mal heikel: Demonstranten drängen in Richtung des Terminals, die Polizei lässt sie aber nicht ein. Immer wieder kommt es zu Rangeleien. Beamte setzen Pfefferspray ein. Die Einsatzleitung spielt mit dem Gedanken, die Teilnehmer gar nicht ins Gebäude zu lassen.

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Zwei Stunden lang gibt’s vor dem Terminal kein Vor und kein Zurück. Einige Aktivisten ziehen ab und verstärken eine Gruppe, die den Durchgang zwischen Bahnhof und Terminal-Eingang blockiert. "Die Stimmung ist aggressiv", sagt der Stadtverordnete Martin Kliehm ("Piraten") als Beobachter.

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Eine Etage weiter oben dürfen schließlich 200 Teilnehmer ins Terminal - abgezählt von Polizisten. "Ich war wohl die 201., die Beamten haben mich nicht reingelassen", sagt eine Aktivistin aus Berlin. Im Terminal ist die Stimmung dann friedlich, die Kundgebung wird aber eng eingekesselt.

Ausklang und Pläne

Eine Koch-Aktion auf dem Paulsplatz sollte den Tag beenden. Doch am späteren Abend formiert sich ein Protestmarsch in Richtung Türkisches Konsulat in der Kennedyallee. Mehr als 200 Menschen demonstrieren, weil in der Türkei ein Protest-Camp geräumt wurde - ein Vorfall, der mehrere Verletzte forderte und Ausschreitungen in vielen Städten der Türkei provozierte. Die Frankfurter Demo verläuft nach Angaben der Polizei friedlich, ist bei Redaktionsschluss allerdings noch nicht beendet. Es gab mehrere Festnahmen im Laufe des Tages. Blockupy sprach von mindestens 15, die Polizei nannte noch keine Zahl.

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Für heute plant das Blockupy-Bündnis eine internationale Demonstration durch die Innenstadt, zu der bis zu 20 000 Menschen erwartet werden. Die Protestler treffen sich um 11 Uhr am Baseler Platz, um 12 Uhr soll sich der Umzug in Bewegung setzen.




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