Sollte auch nur irgendjemand noch gezweifelt haben an südamerikanischer und insbesondere an brasilianischer Tanzkunst, so wäre davon nach der Vorstellung am Donnerstag im Kurtheater gewiss gar nichts mehr übrig geblieben. Die Rede ist von der Aufführung der Tanzgruppe "Quasar cia de Dança" mit der Produktion "Céu na Boca", was auf Portugiesisch so viel heißt wie "Den Himmel im Mund".
Abgrundtiefe Finsternis herrschte im Saal und auf der Bühne und lautlose Stille, man konnte allenfalls am leisen Luftzug spüren, dass der Vorhang aufgegangen war. Als es sehr langsam heller wurde, war da nichts außer drei Paaren, die von drei Seiten auf einen Mittelpunkt zuschritten. Die atemlose Spannung des Publikums ließ erst nach, als zu den ersten Klängen je ein Tänzer sich wegrollte und verschwand, parallel zum heller werdenden Licht die elektronische Musik anschwoll zu immer größeren Bewegungen der Tänzer und schließlich bei für das Ohr eher schmerzhaften Geräuschen ein scheinbar ferngesteuertes Tanzpaar übrig blieb.
Nichts lenkte ab von den geschmeidig geführten Bewegungen der Tänzer, weder Farben, noch aufwendige Kostüme, noch irgendein Bühnenbild.
Die 1988 gegründete Tanzgruppe entwickelte sich rasch weg vom klassischen und zeitgenössischen Tanz und fand zu eigener Tanzsprache. Im Sommer 1994 erlebte die Truppe beim Theaterfestival in Hamburg ihren internationalen Durchbruch. Seitdem sind die Tänzer mit ihrem 21. Programm unterwegs. Die Choreographien stammen ausnahmslos von Henrique Rodovalho, dessen ganzes Interesse der Komplexität von Körper und Seele gilt. Ihm verdankt die Gruppe ihre einzigartige Identität, wie man zur Einführung vor dem Programm von Célestine Hennermann erfuhr, auch sie Dramaturgin und Choreografin.
So war auch in diesem Programm die Rede von allem, was es zwischen Himmel und Erde gibt an großen Emotionen, an Vereinigung und Kampf im Zwischenmenschlichen. Die Aufführung glänzte durch wunderschöne Choreographien unter Nutzung der gesamten Bühnenfläche durch die acht Tänzerinnen und Tänzer. Unglaublich geschmeidig, sehr stimmig in der Kommunikation untereinander, häufig ganz synchron, dann wieder im krassen Gegensatz waren die Tänzer mit sehr reichhaltigen Bewegungsabläufen, auch mit Pantomime, Akrobatik und gar mit Einsatz der eigenen Stimme oder den Zischlauten des Atems, kurzum mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln im Einsatz. Neben zeitgenössischer elektronischer Musik (Hendrik Lorenzen, Taylor Deupree, Marc Leclar u.a.) gab es auch BigBand-Sounds und nach dem letzten Lied aus dem Album "Sound of Silence" von Simon und Garfunkel war die Bühne wieder ebenso stockfinster wie zu Beginn - noch ein Moment in atemloser Spannung - dann brachen Beifallsstürme und nicht enden wollender Jubel aus.