"Werte zu leben, ist keine Überanstrengung", sagte Pater Anselm Grün, Abtei Münsterschwarzach, am gestrigen Freitagvormittag in seiner Rede beim Werte- und Wirtschaftskongress des Selbstständigenforums Fokus O. Es war der zweite Kongress dieser Art, und er wurde von der Taunus Zeitung unterstützt.
"Wertschöpfung durch Wertschätzung" stand als Thema über Grüns Vortrag, Untertitel: "Der Wert der Werte. Was haben Unternehmen davon, sich an Werten zu orientieren?" Auch in der Wirtschaft sei eine Kultur der gegenseitigen Wertschätzung notwendig, betonte der weithin bekannte Grün in der voll besetzten Stadthalle.
Das fange schon bei der Sprache, einem Instrument der Wertschätzung, an. "Es ist wichtig, wie wir miteinander sprechen und welches Haus wir bauen. Mit Sprache teilt man seine Stimmung, seine Härte, seine Menschenverachtung oder Freude mit. Wenn das Haus der Sprache nicht stimmt, wird es keine wertvolle Firma sein", sagte Grün. Als Negativbeispiel nannte Grün stillose, unpersönliche Mails, mit denen Druck und Macht ausgeübt würden.
Die Wertschätzung des Menschen sei ein anderes Wort für Liebe, die wiederum eine Kraftquelle sei. Für eine Führungskraft bedeute Wertschätzen, dem Mitarbeiter mit einem Grundwohlwollen zu begegnen und den Menschen als Schatz zu sehen. Wenn man mit Wohlwollen gegenüber den Mitarbeitern in die Sitzung gehe, werde diese zum Energiespender, wenn die Haltung "jeder gegen jeden" vorherrsche, werde die Sitzung zum Energieräuber.
Eine Kultur der Wertschätzung zu leben, sei eine tägliche Herausforderung. Denn es gebe die Tendenz, den anderen zu entwerten und sich besser darzustellen. Führen bedeute aber, auf die eigenen Gefühle zu achten und sie zu reinigen, damit man Mitarbeitern nicht mit Ressentiments vom Vortag oder mit einem Machtanspruch begegne. Die "emotionale Umweltverschmutzung" sei jedoch weit verbreitet, nicht nur in Unternehmen.
Lähmende Kontrolle
Die zunehmenden technischen Möglichkeiten, Mitarbeiter zu beobachten, seien kontraproduktiv. "Zu viel Kontrolle lähmt die Menschen. Sie verschanzen sich dann hinter Vorschriften und werden nicht kreativ." Wenn ein Mitarbeiter seine Arbeit einmal vernachlässige, solle sich der Chef fragen, wie er dessen Energie wieder zum Fließen bringen könne. Die Antwort von Anselm Grün: "Zuwendung schafft Energie."
Warum sich gerade junge Manager oft ausschließlich an Zahlen, nicht aber an Werten orientierten, wollte eine Teilnehmerin wissen. Oft habe das mit einem Mangel an Selbstvertrauen zu tun, "deshalb ist es wichtig, Menschen in ihrem Wertgefühl zu stärken. Dann können sie Werte leben. Vertrauen ist wertvoller als kalte Zahlen."
"Jeder hat eine Tapferkeit in sich, aber man braucht auch andere, die einem das Rückgrat stärken. Dann hat man Lust weiterzukämpfen", sagte der Pater. Man sollte, so empfahl er, "seiner eigenen Sehnsucht trauen".
Glaube und Hoffnung fielen vielen Menschen heutzutage nicht leicht. Doch wenn man Menschen frage, ob sie eine Sehnsucht hätten, bekämen sie auch ein Gespür für ihre Hoffnungen. "Hoffen heißt, für und auf etwas zu hoffen. Wo keine Hoffnung ist, da ist kein Leben, da ist die Hölle und kein Miteinander möglich." Deshalb sei es wichtig, dass man mit dem, was man tue, Hoffnung auf ein erfülltes Leben vermittele. "Es ist entscheidend, dass von all dem, was man tut, Hoffnung ausgeht."
Aber es gebe auch Lebensverweigerer, räumte Grün ein. Durch Zuwendung könne man jedoch versuchen, einen Schlüssel zum Menschen zu finden. "Man kann ihn fragen: ,Wo fließt etwas in dir, für was hast du eine Leidenschaft und was brennt in dir?‘" Von den Kardinaltugenden nach Platon - Gerechtigkeit, Klugheit, Besonnenheit und Tapferkeit - sei es um die Gerechtigkeit am schlechtesten bestellt. "Aber ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden."
Einen weiteren Bericht vom zweiten Oberurseler Werte- und Wirtschaftskongress lesen Sie in unserer Dienstagsausgabe.