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Polizei rechtfertigt Demo-Stopp - Einsatzleiter spricht von "sehr hoher Aggressivität" - Blockupy fordert personelle Konsequenzen

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Das Urteil der Frankfurter Medien ist vernichtend. In den Kommentaren ist von einem desaströsen, unverhältnismäßigen Polizeieinsatz die Rede. Selbst Zeitungen, die den Ordnungshütern eher wohlgesinnt sind, fragen nach den Gründen für das harte Vorgehen gegen Blockupy und erinnern den hessischen Innenminister an das Demonstrationsrecht. Boris Rhein (CDU) kam gestern zu einer Pressekonferenz mit der Frankfurter Polizeiführung, um - wie er sagte - "ein völlig falsches Bild vom Polizeieinsatz geradezurücken".

Das Medieninteresse ist riesig. Kameras surren, Kugelschreiber sausen über Notizblöcke. Viele Journalisten waren am Samstag um 12.50 Uhr dabei, als Polizisten an zwei Stellen in die Demo des kapitalismuskritischen Blockupy-Bündnisses einrückten und einen "Schwarzen Block" aus mehr als 900 Protestlern separierten. Die Bilder der Einsatzkräfte, die Protestler nach vielen Stunden im Kessel gewaltsam aus der Menge zerren, und die Bilder der Verletzten, die von Rettungskräften behandelt werden, stehen den Reportern noch lebhaft vor Augen.

Umfangreiche Präsentation

Dem Eindruck, dass bis zur Intervention der Polizei nichts Nennenswertes passiert war, tritt Rhein entgegen: Die separierte Gruppe habe "massiv gegen Gesetze verstoßen". Um diese Sichtweise zu untermauern, werfen Innenministerium und Polizei alles in den Ring, was sie zu bieten haben: Auf mehreren Tischen werden sichergestellte Gegenstände präsentiert - Pyrotechnik, Farbflaschen, Sturmhauben, Stangen und Schutzschilde. Insgesamt wurden laut Polizei 907 Gegenstände eingesammelt.

Einsatzleiter Harald Schneider kommentiert Fotos, die an die Wand projiziert werden. Sie zeigen den "Schwarzen Block", außerdem verknotete Transparente und Seile, die die Aktivisten neben sich herführten, um ein Eindringen von Polizisten in die Demo zu verhindern. Unter der sichergestellten Pyrotechnik seien zwei "Polenböller" gewesen, sagt Schneider. "Die reißen Ihnen die Hände weg." Auch ein Böller, der sonst mit einem Rohr verschossen wird und in einer Menschenmenge "eine verheerende Wirkung" hätte, sei gefunden worden.

Das Hauptinteresse der Journalisten gilt allerdings nicht den sichergestellten Gegenständen, die für linksradikale Demos nicht außergewöhnlich sind, sondern dem umstrittenen Polizeieinsatz, der zu den Funden führte. Dass der Eingriff in den linksgerichteten Protestmarsch politisch motiviert und der Polizeikessel geplant gewesen sei, wie Blockupy behauptet, bezeichnet Innenminister Rhein als "Verschwörungstheorie": Er habe nicht auf das operative Geschäft der Frankfurter Polizeiführung eingewirkt, halte aber deren Entscheidungen für richtig.

Auch Einsatzleiter Schneider verteidigt das Vorgehen als angemessen: Schon vor dem Start der Demo hätten sich am Baseler Platz 500 Autonome eingefunden und teilweise vermummt. Aus einem Lkw seien Schutzschilde und ähnliches Material geladen worden. Es habe eine "sehr hohe Aggressivität" geherrscht, sagt Schneider. Der Satz "Wir hauen euch die Stadt kaputt!" sei über den Lautsprecherwagen verbreitet worden, zudem habe es "Zündeleien" gegeben.

Auf diese Dinge und weitere Verstöße gegen Auflagen und Verordnungen sei der Anmelder von Anfang an hingewiesen worden. Der habe auch versucht, etwas auszurichten. Irgendwann sei aber klar gewesen: "Auf diese Gruppe wird der Versammlungsleiter wenig Einfluss haben." Die Entscheidung, den Block zu separieren sei gefallen. "Es wäre sonst mit Sicherheit zu Ausschreitungen gekommen."

Abgelehntes Angebot

Der Einsatzleiter betont, dass der Anmelder das Angebot, mit den nicht eingekesselten Demonstranten weiterzuziehen, mehrfach abgelehnt habe. Auch den Vorschlag, die Leute im Kessel in einer Personenschleuse zu durchsuchen und ohne Feststellung der Personalien weiterziehen zu lassen, habe er nicht angenommen. Deshalb sei gegen 16.40 Uhr mit der Identitätsfeststellung begonnen worden.

Die Folgen sind bekannt: Polizisten zogen Protestler gewaltsam aus dem Kessel. Blockupy spricht von mehr als 200, die Polizei von 31 Verletzten in den eigenen Reihen. Als die Sprache in der PK auf die Auflösung des Kessels kommt, wird die Szene - um mit Schiller zu sprechen - zum Tribunal: Journalisten betonen, dass der Polizeieinsatz aus ihrer Sicht "eine Gewaltorgie" gewesen sei. Sie berichten, dass sie oder ihre Kollegen von Einsatzkräften beschimpft, körperlich angegangen, zu Personenkontrollen genötigt und an ihrer Arbeit gehindert worden seien.

Blockupy bezeichnet die Rechtfertigungen des Innenministers und der Polizei als "substanzlos". Die eklatante Verletzung von Grundrechten müsse politische und personelle Konsequenzen haben. Für Samstag, 12 Uhr, mobilisiert Occupy-Aktivist Jan Umsonst zu einem Solidaritätsmarsch auf der ursprünglich geplanten Demoroute vom Baseler Platz zum Willy-Brandt-Platz.




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