Sage und schreibe zehn Minuten Dauerapplaus mit Jubelrufen durchsetzt waren am Sonntag in der Erlöserkirche der Lohn für eine gigantische Aufführung des Parsifal von Richard Wagner. Und um es gleich zu sagen: Auch für den, der dachte, keine viereinhalb Stunden Aufführung durchzuhalten, war die Zeit wie im Fluge vergangen. Und das, obwohl - oder vielleicht gerade weil - das Auge bei diesem Konzert weder von Kostüm noch Kulisse abgelenkt war. Allerdings hatten es dadurch all jene, die weder den Stoff genau im Kopf noch ein Textbuch in der Hand hatten, zunächst ein wenig schwer, sich zu orientieren.
Hochkarätige Besetzung
Unabhängig davon ist es Susanne Rohn, Kantorin der Erlöserkirche, erneut gelungen, hochkarätige Sänger und Musiker zu verpflichten. Mit Hans Christoph Begemann als beeindruckendem Amfortas mit voluminösem Bariton, Hubert Bischof als verstoßenem Gralsritter Klingsor und Titurel (Vater von Amfortas) mit prägnanter plastischer Stimme waren die Partien überzeugend besetzt.
Simon Bailey, Mitglied der Frankfurter Oper, sang mit seinem variablen Bariton einen besonders einfühlsamen Gurnemanz. Christian Elsner, zu den führenden Wagner-Tenören zählend, bot stimmlich einen überzeugenden, wunderbaren Parsifal. Und Kathrin Hildebrandt als Kundry verfügte souverän über ihren gewaltigen Part und meisterte die immensen Intervallsprünge brillant. Alles also hervorragende Stimmen und besonders renommierte Sänger, die den Schwierigkeiten von Wagners Musik gewachsen waren. Die Rollen der Knappen, Gralsritter und Blumenmädchen waren ebenfalls überzeugend besetzt. Wobei letztere ihre Passagen in höchst anrührender Weise von der Galerie herab sangen.
"Nicht christliches Werk"
Das Orchester, "L’Arpa festante", schon häufig mit Barockmusik in der Erlöserkirche zu hören, spielte auf Instrumenten aus der Zeit Wagners, die Streicher auf Darmsaiten, um das Werk möglichst authentisch zu präsentieren. Geheimnisvoll bis höchst dramatisch, wunderbar begleitend, spielte das Orchester in äußerster Konzentration. Diese übertrug sich auf der Stelle auf das Publikum, in reinster Intonation auch an den transparentesten Stellen. Auch der Bachchor präsentierte sich mit Wagners Musik makellos und hoch motiviert. Besonders hervorzuheben sind Wechselspiel und Zusammenklang des Frauenchors mit den Blumenmädchen.
Mehr als zwei Jahre hatte Susanne Rohn, die eine Menge Begeisterung versprüht für das, was sie anpackt, auf die Aufführung hingearbeitet. Das betraf die gedankliche Durchdringung von Stoff und Musik, Diskussionen über pro und contra einer Aufführung in der Kirche dieses nicht unumstrittenen Komponisten und seines von manchem Kritiker als nicht christlich bezeichneten Werk, aber auch die konkreten Vorbereitungen.
Und Vollblutmusikerin Rohn hatte die Kraft, dieses Mammutwerk umzusetzen, wie sich beim Konzert in der Erlöserkirche zeigte. In jedem Augenblick dirigierte sie unmissverständlich prägnant die knapp 200 Mitwirkenden und gab absolut präsent auch noch den kleinsten Einsatz vor. Als große Künstlerin ist sie mit dieser Aufführung - wenn überhaupt möglich - noch einmal über sich selbst hinausgewachsen.