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Rote Lippen, rauchige Stimme - Ulla Meinecke

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Noch ein Schluck Wasser und ein letzter Zug an der Zigarette. Da sitzt sie, auf der Bank vor der Englischen Kirche. Rote Lippen, langer Pony, dunkle, schulterlange Haare und die warme, rauchige Stimme - Ulla Meinecke.

Seit 30 Jahren ist sie fester Bestandteil der deutschen Musikszene. Und sie ist Buchautorin. Eine Lesung wartet laut Ankündigung auf das Publikum. "Aber sie wird doch hoffentlich auch singen", meint eine Dame ein wenig unsicher zur Freundin. Wird sie. Aber zunächst wird gelesen.

Ein kräftiger Heuschnupfen macht diese Aufgabe nicht leichter, kann der Stimme dennoch kaum etwas anhaben. Eine Stimme, der man auch abseits der Musik gerne zuhört, die mitlebt und die auch verrät, wie viel Spaß Ulla Meinecke beim Schreiben des Buches gehabt haben muss.

"Ungerecht wie die Liebe" ist ihr drittes Werk betitelt. Daraus stammt die Geschichte von Steuerberater Thomas. Der betrügt seine Frau Corinna. Während sie für den untreuen Gemahl mit den Kindern "sein sicheres Hinterland" ist, neueste In-Rezepte von Starköchen mit "irgendwas im Salzmantel" zubereitet und ihn für die intimsten Ehemomente mit Duftkerzen und eingelassener Badewanne mit Ölzusatz empfängt, hat Thomas auch ein zweites Kopfkissen. Das liegt im Bett neben seiner Geliebten Nelly. Deren Speiseplan kennt keine Sterne-Rezepte, sondern Tiefkühl-Pizza. Statt Duftkerzen und Badeöl gibt es bei ihr "Sex - Schnell, scharf und süß", so Thomas, der bei beiden Frauen aber eines gleichermaßen bevorzugt: "Abhängen auf dem Sofa". Zuviel Sofa.

Noch fühlt er sich mit zwei Frauen als toller Kerl, da wendet sich das Blatt. Die Geliebte trennt sich sofa-gelangweilt von Thomas. Und auch Corinna verlässt den untreuen Göttergatten. Dass sie am Ende auf Nelly trifft, ist ein weiteres schönes Detail in der Lesung. Das Publikum honoriert den Vortrag mit kräftigem Applaus.

Szenenwechsel: Der Buchdeckel klappt zu. Gitarrist Ingo York, Musiker und Komponist mit nationaler und internationaler Bühnenerfahrung, bezieht seinen Platz auf der Bühne neben Ulla Meinecke. Drei Songs präsentieren sie dem Homburger Publikum, darunter die deutsche Version des Suzanne Vega-Hits "Marlene on the Wall", in der es um Marlene Dietrich geht, eine Frau, die "in Würde gealtert ist", so Meinecke. Etwas, das die gebürtige Usingerin nicht nur in ihrer Branche vermisst. "Da wird der 30. Geburtstag manchmal schon als Nahtoderfahrung empfunden." Das Publikum amüsiert sich köstlich. Einheitliches Nicken, als Meinecke fortfährt "Anti-Aging ist so zielführend wie eine Katzenklappe in einem U-Boot."

"Ich habe sie schon vor 30 Jahren im Frankfurter Sinkkasten gehört", erzählt ein Ober-Erlenbacher in der Pause. "Auch die Lesung", wie seine Begleiter betonen. Gelesen wird auch im zweiten Programmteil. So kommen alle in den Genuss der Geschichte von Hans. Dessen Freund hat ihn bei einer Internet-Partnerbörse angemeldet und Hans’ Profil "marktgängig" gemacht. Mit viel Liebe zum Detail erzählt die Geschichte, wie Hans seine Traumfrau kennenlernt.

Der Abend endet musikalisch. "Ein Schritt vor und zwei zurück" und Carly Simons "You’re so vain" kommen besonders gut an. Ingo York beginnt den nächsten Song. Die ersten Akkorde. Darauf haben sie gewartet. Das macht den Abend komplett. Ulla Meinecke singt ihren Klassiker - "Die Tänzerin". Jetzt hält es kaum jemanden auf dem Stuhl. Standing Ovations. Eine Zugabe. "Danke für den schönen Abend" verabschiedet sich die Künstlerin.




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