Über das Haus Marktplatz 21, das gerade von der Stadt aufwendig saniert wird und in das ein Restaurant einziehen soll, hat die Taunus Zeitung schon mehrfach berichtet und dabei die Platzgeschichte und die Besitzergeschichte des Hauses dargestellt.
Die Quellen, die dazu zur Verfügung standen, waren gedruckte Quellen, das heißt historische Abhandlungen zur Stadtgeschichte. An dieser Stelle soll nun die authentischste aller Quellen, nämlich das Haus selbst, zu Wort kommen. Wer die Wände genau betrachtet, der kann im Holz der Wandpfosten viele Details ablesen, die über Bauveränderungen Auskunft geben und eine Rekonstruktion des ursprünglichen Hauses erlauben, denn die vielen Besitzer und Bewohner haben es immer wieder ihren Bedürfnissen angepasst.
Entworfen hat das Haus nach Vorgaben der damaligen Stadtplaner ein örtlicher Zimmermann, der seinerseits auf die Konventionen seines Handwerks zurückgriff. Das heißt, er wandte auch für den Neubau am Marktplatz die damals üblichen Konstruktionformen an. Dazu gehörte die markante Figur des sogenannten Hessenmannes. Sie besteht aus zwei langen Streben, die wie gespreizte Beine wirken. Über diesen füllen Holzdreiecke die Winkel aus und bilden den Kopf des Mannes. Zwischen Kopf und Fußstrebe bildet ein kurzer Riegel zu beiden Seiten des mittleren Pfostens, auch Halsriegel genannt, die Arme.
Diese charakteristische Figur, die sich im hessischen Fachwerk allenthalben findet, hatte eine aussteifende Wirkung für die Wand. Aber sie war auch zusätzlich eine Zierfigur, denn sie tritt nur an den Schauseiten des Hauses auf. Als vollständige Mannfigur ist sie am Haus Marktplatz 21 allerdings nur an der Seite zur Schulhofstraße vorhanden. Jeweils die Hälften der Mannfigur sind auch an den Ecken der Marktplatzseite zu erkennen.
Viele Zierformen
Diese Marktplatzseite stellte die Hauptfassade des Hauses dar, und daher treten dort zusätzliche Zierformen auf. Sie bestehen aus übereinandergelegten Andreaskreuzen und Rauten jeweils unter den Fenstern. Die halben Mannfiguren erscheinen ein weiteres Mal an Pfosten innerhalb der Wand. Dort stabilisieren sie die sogenannten Bundpfosten. Diese heißen so, weil innen Wände anbinden. Durch diese Bundpfosten lässt sich an der Außenseite praktischerweise auch gleich die innere Einteilung des Hauses ablesen.
Im Falle des Hauses Marktplatz 21 flankieren die Bundwände in beiden Geschossen jeweils einen Mittelgang, zu dessen Seiten die Stuben und Kammern liegen. Die größeren Stuben liegen in beiden Geschossen zum Platz hin, die Kammern an der Rückseite. Die Stuben waren erheblich größer, sodass hier zum Tragen der Deckenbalken ein Unterzug eingebaut werden musste. Der reichte von einer Außenwand durch die beiden Gangwände bis zur gegenüberliegenden Außenwand. In den Außenwänden wird der Unterzug von Wandpfosten getragen, in den Innenwänden sitzt aber unter dem Unterzug statisch denkbar ungünstig jeweils eine Tür. Das Problem hat der Zimmermann gelöst, indem er zwei Riegel übereinander als Türsturz und Auflager des Unterzuges in die Flurwände einbaute - eine sehr ungewöhnliche Lösung.
Im Mittelgang lagen auch die Treppen in das Dachgeschoss und den Keller. So ergab sich ein einfacher Grundriss aus vier Räumen plus Gang. Unterkellert war nur die Seite zur Schulhofstraße. Die Kellermauern und die Sockelmauern wurden damals aus einheimischem Schieferbruchstein und Lehm errichtet. Auf eine Einwölbung hatte man bei dem einfachen Bürgerhaus ohnehin stets verzichtet. Der Raum zwischen den Balken wurde geschlossen, indem man zwischen die Balken mit Strohlehm umwickelten Hölzer einschob. Die Oberseite wurde mit Lehm aufgefüllt und die Unterseite mit Lehm verstrichen. Der Zimmermeister entwarf mit dem Haus einen gut proportionierten, funktionellen Wohnbau, in dem es sich damals gut und durchaus repräsentativ wohnen ließ.
Im zweiten Teil werden weitere Details aus der Baugeschichte beschrieben, so beispielsweise, wie das Haus geheizt und wo gekocht wurde und wie das Haus ausgemalt war. Auch dazu liefern die Befunde zahlreiche Hinweise.