Eine offizielle Verabschiedung hatte Pfarrer Peter Lehwalder nicht gewollt. Aber zu seiner inoffiziellen Verabschiedungsfeier am Sonntagnachmittag waren über 80 Gemeindemitglieder gekommen. Marianne Peilstöcker, die früher lange Zeit im Kirchenvorstand mitgearbeitet hatte, sprach in ihrer Rede aus, was sicher die meisten Gäste dachten: "Mir tut es unendlich leid, dass Sie Burgholzhausen verlassen müssen. Und mir fehlt dafür jedes Verständnis." Leidenschaftlicher Applaus folgte.
Wie berichtet, hatte es einen schweren Konflikt zwischen Teilen des bisherigen Kirchenvorstands und dem heute 52 Jahre alten Pfarrer gegeben. Nach einer gescheiterten Mediation mussten der Kirchenvorstand geschlossen zurücktreten und der Pfarrer auf seine Stelle verzichten - beides zum 31. Mai und obwohl Lehwalder so viel Rückhalt in der Gemeinde hatte, dass sich sogar ein Unterstützer-Kreis für ihn gegründet hat: die "Initiative gegen Mobbing in der evangelischen Gemeinde Burgholzhausen".
Warum eine Versöhnung schließlich nicht mehr möglich war? "Es waren menschliche Animositäten", antwortete der Pfarrer, der in seiner Abschieds-Rede Schiller zitierte: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." 21 Jahre lang hatte er die Gemeinde in Burgholzhausen betreut, zuerst mit einer vollen Stelle. Später wurde in Burgholzhausen, wegen Sparzwängen, auf eine halbe Stelle gekürzt und Lehwalder übernahm eine weitere halbe Stelle in der Friedrichsdorfer Gemeinde.
"Vertuschen hilft wenig"
Streiten sei zwar manchmal nötig, aber man müsse Maß und Ziel im Auge behalten, fuhr Lehwalder in seiner Rede fort. "Konflikte zu vertuschen hilft wenig. Das ist eine Lektion, die unsere Kirche zu lernen hat." Der Streit mit dem Kirchenvorstand schwelte seit September 2011, wurde aber erst bekannt, als die Initiative im November 2011 an die Öffentlichkeit ging.
Auslöser war eine Fragenbogenaktion im Sommer 2011, die der damalige Kirchenvorstand anders bewertete, als der Pfarrer. Die Mehrheit des Kirchenvorstands beschloss daraufhin, dass mit dem Pfarrer keine Vertrauensbasis mehr bestehe. Und als Lehwalder nicht Böses ahnend aus dem Urlaub kam, eröffnete ihm der Kirchenvorstandsvorsitzende Heinrich-Adam Loy, dass er weg müsse. Im Gemeindebrief schrieb Loy dann auch, Kirchenvorstand und Pfarrer seien übereingekommen, dass sich Lehwalder in absehbarer Zeit neuen Aufgaben stellen werde. Dem waren Gespräche mit dem Dekanat vorausgegangen.
Bei einer öffentlichen Gemeindeversammlung im Dezember 2011 dagegen erklärte Pfarrer Lehwalder, dass es gar nicht stimme, dass er weg wolle. Und die Initiative versuchte alles, was in ihrer Macht stand, um den Pfarrer behalten zu können - letztlich vergebens.
Schwer müssen die vergangenen fast zwei Jahre für Lehwalder und seine Familie gewesen sein. Seine Frau, Pfarrerin Ulrike Maas-Lehwalder (52), ist mit einer halben Stelle in Köppern unter Vertrag. Jetzt blieb dem Pfarrer nur, sich bei seinen Gemeindemitgliedern zu bedanken, "für ihre Briefe und auch für einen besonders festen Händedruck". Er dankte auch dem katholischen Diakon Diethard Fries, der mit der katholischen Gemeinde für ihn gebetet hatte, und er sagte: "Es sind diese Gesten der Freundschaft und Nächstenliebe, die mir geholfen haben, den Glauben an einen gnädigen Gott zu behalten." Jetzt sei es ihm wichtig, Frieden zu schließen "und damit letztlich Gott die Ehre zu geben."
Es sei eine schöne Zeit gewesen in Burgholzhausen, mit über 1000 Gottesdiensten, betonte Lehwalder noch. Und es sei schwer, das alles hinter sich zu lassen. Besondere Freude hätten ihm die Familiengottesdienste gemacht, die Kinderbibelwochen und der Spielkreis. Und: "Der Seniorenkreis hat uns Kraft an Leib und Seele gegeben." Und als Vorsitzender des Fördervereins der ökumenischen Diakoniestation habe er Verständnis gewonnen für die Sorgen und Nöte der kranken Menschen und des Pflegepersonals.
Hoffnung auf Neuwahlen
"Unsere Arbeit war immer von gegenseitiger Wertschätzung geprägt", sagte Jürgen Nau, der 2003 bis 2009 Vorsitzender des Kirchenvorstands gewesen war. Barbara Völksen, die wie Nau zur Initiative gehört, sagte: "Zurück bleibt Fassungslosigkeit, dass Dekan, Propst und Kirchenpräsident so etwas zugelassen haben." Jetzt bleibe nur die Hoffnung auf einen Neuanfang mit Neuwahlen des Kirchenvorstands. Das Dekanat nämlich möchte einen Übergangs-Kirchenvorstand ernennen, der bis zu den nächsten regulären Wahlen im Amt bliebe. Eine Gruppe Gemeindemitglieder fordert jedoch freie Wahlen und hat deshalb beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht in Darmstadt geklagt. Verhandlungstermin ist am kommenden Freitag. Völksen bat die Gemeindemitglieder um Spenden für die Anwaltskosten.
Dem Pfarrer hat die Kirchenleitung jetzt eine Auszeit von zwei Monaten zugebilligt. Danach soll er in der Propstei Nord-Nassau (nördlicher Taunus und Westerwald) arbeiten. Voraussichtlich bis Ende des Jahres kann er noch mit seiner Familie im Burgholzhäuser Pfarrhaus wohnen bleiben.
Zum Thema "Übergangspfarrer Michael Lohenner" sagte Lehwalder: "Wir hoffen, dass es ein Miteinander wird." Und er betonte: "Wir wollen nicht in die Gemeindearbeit eingreifen." Lohenner hatte am Sonntag seinen ersten Gottesdienst in Burgholzhausen gehalten (siehe unten stehender Bericht).